Perspektivwechsel konsequent beibehalten und systemische Ursachen endlich angehen!

20. November 2020

Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Aachen positioniert sich zum veröffentlichten Gutachten zur sexualisierten Gewalt im Bistum Aachen

Aachen, 20.11.2020. Das vom Bistum Aachen beauftragte Gutachten „Sexueller Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker im Bereich des Bistums Aachen im Zeitraum 1965 bis 2019“ wurde am 12. November von der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl veröffentlicht. Das über 400 Seiten umfassende Dokument benennt Personen, die für die Vertuschung sexualisierter Gewalt im Bistum Aachen verantwortlich sind, beschreibt systemische Ursachen, zieht Konsequenzen und gibt Empfehlungen, um sexualisierte Gewalt im Bistum Aachen zukünftig zu verhindern.

Dr. Annette Jantzen, geistliche Verbandsleitung des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Aachen, bestätigt: „Seit der Veröffentlichung beschäftigt uns das Gutachten sehr: Wir bilden uns eine eigene Meinung, schauen intensiv auf die Empfehlungen, gleichen ab, wo wir bereits entsprechende Beschlusslagen haben und wo wir gegebenenfalls noch weitere Beratungen mit den Kinder- und Jugendverbänden benötigen.”

„Wir begrüßen sehr, dass Bischof Dr. Helmut Dieser Anfang der Woche mutig und transparent auf die Öffentlichkeit zugegangen ist“, ergänzt Simon Hinz, ehrenamtliche Diözesanleitung des BDKJ Aachen. „Gleichzeitig erwarten wir, dass nun die im Gutachten benannten Empfehlungen aufgegriffen werden, dass es einen überprüfbaren Zeitplan dafür gibt und dass das Bistum gut begründet, wenn es Empfehlungen nicht umsetzen möchte. Insbesondere erwarten wir, dass die benannten systemischen Ursachen sowohl auf diözesaner Ebene als auch deutschlandweit angegangen und gelöst werden!“

Nachhaltige Aufarbeitung leisten

Es ist wichtig, dass das Gutachten in der Vergangenheit durch Kleriker verursachtes Leid und das Vertuschen von Vorfällen sexualisierter Gewalt im Bistum Aachen beschreibt und Verantwortliche benennt. Gemeinsam mit dem aktiven Zuhören von Betroffenen, die über ihr Leid sprechen möchten, sei das die Grundlage für echte Aufarbeitung. „Wir finden es gut, dass das Bistum Aachen seit der Veröffentlichung des Gutachtens proaktiv bittet, dass sich weitere Betroffene melden“, bewertet Hinz.
Ebenso wichtig sei es nun, dass die Ergebnisse auf die heutige und zukünftige Präventions- und Interventionsarbeit Wirkung haben. „Die Aufarbeitung von Vorfällen sexualisierter Gewalt, die Intervention und Prävention sexualisierter Gewalt wirken stets auf- und miteinander“, beschreibt Simon Hinz. Eine Weiterentwicklung der Präventionsarbeit im Bistum Aachen sei mitunter notwendig.

Systemische Ursachen beseitigen

„Aufarbeitung bedeutet aber auch, die Ursachen von Leid, das in der Vergangenheit geschehen ist, zu beseitigen. Nachhaltige Aufarbeitung, die nicht nur in die Vergangenheit schaut, sondern ihre Erkenntnisse wirkungsvoll in die Gegenwart und Zukunft überträgt, muss die systemischen Ursachen, die sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche begünstigen, in den Blick nehmen und lösen.“, fordert Simon Hinz, ehrenamtliche Diözesanleitung des BDKJ Aachen.

Dass es systemische Ursachen in der katholischen Kirche gebe, die sexualisierte Gewalt und auch spirituellen Missbrauch ermöglichen, belegte bereits die im September 2018 veröffentlichte MHG-Studie. „Es ist an der Zeit, dass die katholische Kirche endlich lebensnahe und zeitgemäße, nicht-diskriminierende Antworten auf zentrale Fragen findet“, betont Hinz. „Wie wird Macht in der Kirche gerecht verteilt? Was bedeutet eine an der Lebenswelt der Menschen orientierte katholische Sexualmoral? Welche Rolle spielen Frauen in der katholischen Kirche? Und wie muss das Amt der*des Priester*in aussehen?“ Erst, wenn diese und weitere Antworten gefunden seien, arbeite die katholische Kirche nachhaltig sexualisierte Gewalt auf, so Hinz.

Mehr Demokratie in der katholischen Kirche und eine zeitgemäße Sexualmoral

„Es ist gut, dass Bischof Dr. Helmut Dieser Klerikalismus als eine der systemischen Ursachen, die sexualisierte Gewalt begünstigen, in der Pressekonferenz des Bistums Aachens klar benannt hat und dagegen angehen möchte. In unseren Forderungen der vergangenen Jahre fühlen wir uns durch die in der Studie benannten Empfehlungen bestätigt und setzen uns weiterhin für ihre Umsetzung ein“, bewertet Hinz.

Konkret fordert der BDKJ im Bistum Aachen mehr Demokratie sowie die Stärkung von Kinderrechten und Jugendbeteiligung in der katholischen Kirche. Es brauche ein demokratisches Mitspracherecht bei der Besetzung von Leitungspositionen, eine Rechenschaftspflicht der Verantwortungsträger*innen sowie eine Einführung und Begrenzung ihrer Amtszeit. Eine echte Partizipation der diözesanen Räte, die nicht nur Beratungsfunktionen erlaubt, sondern auch Entscheidungsbefugnisse ermöglicht, lege weitere demokratische Prinzipien fest.
Gleichzeitig setzt sich der BDKJ im Bistum Aachen für eine an der Lebenswelt der Menschen orientierte katholische Sexualmoral ein, die sich von detaillierten Ge- und Verboten löst und eine zeitgemäße Beziehungsethik auf Grundlage des Evangeliums entwickelt.


Text: Jessica Starzetz / BDKJ Aachen

Pressemitteilung als PDF

Weiteres

Zur Argumentationshilfe „Liebt einander!“ – Umgang mit der kirchlichen Sexuallehre

Zum Flyer „Demokratie leben! Unsere Kirche braucht Demokratie“