Bild: Jessica Starzetz / BDKJ Aachen

Arbeitsmigration: Armut führt in die Prostitution

8. Dezember 2020
Arbeitsausbeutung in der Prostitution und die Schicksale dahinter.Bild: Jessica Starzetz / BDKJ Aachen

Frauen, die in Deutschland der Prostitution nachgehen, kommen hauptsächlich aus dem Ausland. Gerade aus Osteuropa ist der Zuzug hoch, vor allem aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn und der Ukraine. Das aktuelle Angebot an Prostitution in Deutschland wäre nicht denkbar ohne die globale und auch innereuropäische wirtschaftliche Ungleichheit. Die Frauen werden teils unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt, teils kommen sie bewusst, um das Überleben der eigenen Familie in ihren Heimatländern zu gewährleisten, teils handeln sie auf Druck von Vätern, Brüdern, Ehemännern. Die Grenzen zum Menschenhandel sind fließend und oft schwer nachweisbar. Eine überwältigende Mehrheit der Prostituierten hat in der Kindheit Gewalt erfahren, über zwei Drittel leiden an einer Posttraumatischen Belastungsstörung – die Quote ist damit doppelt so hoch wie bei Soldaten aus Kriegsregionen.

„Ich kann nicht zurück, denn zu Hause ist meine achtjährige Tochter, und wenn ich zurückgehe, hungern wir beide.“

Aussage einer osteuropäischen Prostituierten in Aachen

Die liberalen Gesetze in Deutschland versprechen guten Verdienst in der Prostitution. Die Ausbeutung durch andere Akteure, die an der Prostitution verdienen, von Bordellbetreibern bis zu Drogenhändlern, ist aber hoch, die gesundheitlichen Schäden sind es ebenfalls. „Armut führt in die Prostitution, und Prostitution macht arm“ (Prof. Dr. Gerhard Trabert) – und Prostitution macht einsam. Die Frauen, die sie ausüben, und ihre Kinder, die sie in ihren Herkunftsländern mit dem verdienten Geld ernähren. Durch den Lockdown sind die Prostituierten von einem auf den anderen Tag ohne Erwerb geblieben, soziale Sicherungssysteme greifen nur mühsam. Die Lage der Frauen und der Familien, die sie ernähren, hat sich 2020 darum noch deutlich verschlechtert.

Hintergrund der Themenreihe Arbeitsmigration: Schwerpunkt der 63. Aktion Dreikönigssingen

Die 63. Aktion Dreikönigssingen mit ihrem Motto „Kindern Halt geben. In der Ukraine und weltweit!“ und die Bundesweite Eröffnung in Aachen haben uns veranlasst, das Thema Arbeitsmigration in Deutschland genauer zu beleuchten.

Denn „Arbeitsmigration“ ist das tiefergehende Thema, mit dem sich die diesjährige Aktion Dreiköniggssingen am Beispielland Ukraine genauer beschäftigt. Arbeitsmigration bedeutet, dass Menschen in einem anderen als in ihrem Herkunftsland einer Erwerbstätigkeit nachgehen. In der Ukraine ist das häufig der Fall. Mit knapp 42 Millionen Einwohnern gehen nach einer Schätzung der Internationalen Arbeitsorganisation ca. 1,5 Millionen Ukrainer*innen einer Arbeit im Ausland nach. Der Grund dafür ist die schwierige wirtschaftliche Situation in der Ukraine. Armut, mangelnde Einkommensmöglichkeiten, hohe Arbeitslosigkeitszahlen und niedrige Gehälter gehören in der Ukraine zum Alltag. Viele Ukrainer*innen arbeiten deshalb unter ausbeuterischen Bedingungen im Westen Europas und müssen eine Trennung von ihrer daheimgebliebenen Familie in Kauf nehmen. Kinder müssen auf ein Elternteil, manchmal sogar auf beide Elternteile, verzichten.


Text: Annette Jantzen / BDKJ Aachen

Ausgewählte Quellen und weitere Informationen zum Thema Arbeitsmigration, Ausbeutung und Prostitution in Deutschland:

Artikel: Bordelle für immer im Lockdown? Wie Corona das Prostitutionsgesetz verändern könnte, wa.de, 20.11.2020.

Interview: Verkaufte Träume – Prostituierte aus Rumänien, Birgit Franchy, 14.04.2020.

Interview: Von Mietwucher bis Prostitution, Westfälische Nachrichten, 01.09.2018.

Artikel: Sexarbeit, Migration, Osteuropa, bszonline 18.11.2013.

Bericht: Arbeitsmigration verändert die Rolle der Frau, neue Caritas, Jahrgang 2009, zuletzt geändert am 25.07.2011.

Artikel: Sex, Arbeit, Migration und Menschenhandel, Frauke Helwes, 2005